Du sagst, man soll...

 
 

Du sagst, man soll…

Nein.

Es gibt eine Situation, bei denen ich Menschen, die mit mir reden, ins Wort falle: «Du sagtest, man soll…» «Nein, sagte ich nicht. Ich sage nie, ihr sollt.»

Natürlich finden diese Gespräche in meinen Angeboten statt. Und ich kann es drehen und wenden wie ich will, solange ich als derjenige da stehe und irgend etwas sage, der ein wenig mehr Erfahrung – Praxis! – damit hat als die anderen, also gängig etwa «Kursleiter» genannt, drehen und wenden die Zuhörer*innen das Gesagte in ein «Man soll».

Nie würde es mir in den Sinn kommen, anderen zu sagen, was sie sollen. Woher soll ich wissen, was sie sollen? Und selbst wenn ich meinte ich wüsste es, warum sagen? Womöglich irgendwelche Ideale aufstellen und dann selber andauernd daran gemessen werden, noch dazu in einer Cancel Culture?

Nein. Nein nein. Gott bewahre.

Ohnehin. «Sollen» ist kein Verb der Integraldynamik.

Das beste Mittel gegen solche Tendenzen sind die Infinity Games, wo diese Rollen nicht existieren. Doch damit ist das eigentliche Problem nicht gelöst, denn selbst da ergeben sich etwa Gespräche im Erfahrungsaustausch zwischen Menschen mit mehr und Menschen mit weniger Praxis.

Was soll ich also tun? Noch sorgsamer formulieren? Nein, das mache ich schon. Schön umständlich, etwa:

  • Sich integral zu bewegen bedeutet, dass wir….

  • Um uns integral zu bewegen, ist es förderlich, wenn wir….

  • Der Rahmen, in welchem wir uns hier bewegen, bietet uns die Möglichkeit, zu….

Und so weiter.

Den Menschen weiterhin ins Wort fallen ist natürlich eine Möglichkeit. Ich glaube, ich wähle von nun an eine andere. Ich werde die Formulierung erst einmal nicht beachten und die darin eingebettete Frage beantworten, falls ich das kann. Und dann werde ich auf das «Du sollst» zurückkommen und ein paar Sätze von Walt Whitman rezitieren.

«Und da du damit begonnen hast, ich würde dir sagen, was du sollst, sage ich dir nun noch, was du sollst in den Worten von Whitman. Auf jeden Fall drückt das Folgende schön aus, wonach ich mich immer wieder ausrichte. Mir hilft’s.»

Von der englischen Version gibt es ein schönes Filmchen:



 

Und hier die (meine) Übersetzung:

Was du tun sollst, ist dies:
Liebe die Erde, die Sonne und die Tiere,
verachte Reichtümer,
gib jedem, der da bittet,
tritt ein für die Unwissenden und Schwachsinnigen,
widme dein Einkommen und deine Arbeit anderen,
hasse Tyrannen,
streite nicht über Gott,
habe Geduld und Nachsicht mit deinen Mitmenschen,
zieh den Hut vor nichts Bekanntem oder Unbekanntem, vor keinem Menschen und vor keiner Menschenmenge
– gehe ungezwungen mit machtvollen, aber ungebildeten Menschen um, auch mit jungen Leuten und mit Müttern von Familien –
überprüfe alles, was du in Schule und Kirche oder aus Büchern gelernt hast, und verwirf, was auch immer deine Seele angreift;

und dein eigenes Fleisch wird ein großes Gedicht sein und reich fließen,
nicht nur in Worten, auch in den stillen Linien der Lippen und des Gesichts und zwischen den Augenwimpern
und in jeder Bewegung, jedem Gelenk deines Körpers.

 

 
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