Bewegte Geschichten #4 | Skywalker. Luke Skywalker.

 
 

Sie hatte mich durch das Schaufenster angelacht. Und mich gewonnen. Denn ich brauchte sie. Und so war ich im Yoga-Studio einer Yoga-Lehrerin gelandet, die sich wie kaum eine andere auf Instagram zu inszenieren weiß. Und jetzt lud sie mich zum Kite-Surfen ein.

Aber ich glaube, ich muss nochmals von vorne beginnen. So viel Verwirrung, wenn ich nur von ihr spreche, es entsteht da eine Geschichte, die nie so passiert ist.

Darum, nennen wir die Dinge beim Namen:

Ich brauchte eine Yoga-Matte. Unverhofft sah ich eine im Schaufenster des Yoga-Studios in einem der verrücktesten und liebenswürdigsten Städtchen überhaupt: Paia auf Maui.

Wenn man zwischen Paia und der nächsten Stadt einen Mann am Straßenrand sieht, der tagaus, tagein ein Kreuz aus Plastikrohren hin- und her schleppt, dann ist das nur ein Beispiel. Dieser Mann, dessen Name ich nicht kenne, aber ich bin ziemlich sicher er ist nicht Jesus, hat eine Geschichte, die ich einmal gehört hatte. Aber mein Hirn musste zu diesem Zeit Punkt so voll mit Yoga gewesen sein – oder eben so leer vom Yoga –, dass ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern kann.

Item. In diesem Städtchen also, im Yoga-Studio der sich gerne inszenierenden Yoga-Dame stand also die Yoga-Matte, Limited Edition, lebenslange Garantie. Sie war mir ins Auge gesprungen, was eine ebenso unglückliche Formulierung ist wie: sie hatte mich angelacht.

Jedenfalls. Ich betrat das Yoga-Studio und wurde von einer sehr netten, sehr amerikanischen, also sofort offenen, sofort Freunde, schönen jungen Frau bedient, die nicht die Instagram-Yoga-Lehrerin war, die ich aber eigentlich hätte fragen sollen, ob sie auch ein Instagram-Profil hatte. Man stellte sich natürlich vor, man redet sich ja an in Amerika, man ist Freunde, also ich war der Martin, ihren Namen weiß ich auch nicht mehr, irgendwie vergesse ich alles.

«Ich mag, wie du deinen Namen sagst», sagte sie, und sprach mir nach: «Martin. So würden sie dich in Wisconsin» – oder war es Albuquerque oder wo ganz anders, einfach provinziell, so viel zum Vergessen – «auch nennen.»

Nun mag man sich fragen, warum man mich dort so nennen würde, denn es war ja mein Name. Wenn ich in Amerika bin, heiße ich «Mardn», etwas Zerqautes, als die Mischung von Zerkaut und Zerquetscht, das I hört man gar nicht, nach dem Ma nur noch ein Ausrutscher. Lange mochte ich das nicht, weil ich mag das I und die Akzentuierung in der Mitte des Namens, eigentlich ist es ja noch schön, wenn man seinen Namen mag, schließlich war er das erste Geschenk, das man bekommen hatte. Und das man immer noch hat. Ich nannte mich dann manchmal Luke, nach meinem zweiten Namen, «as in Skywalker, you know», das war realistischer in Amerika, obwohl da ja auch kein I drin war, aber das war nicht schlimm. Der Name wurde mir auch geschenkt, und ich mag ihn, auch weil er für mich eine verborgene Referenz zu besagter Wurzel der Skywalker-Tradition ist, Spacewalker, und damit meine ich gar nicht den amerikanischen postmodernen Abklatsch, den ich nicht sonderlich mag. Nicht, dass ich mich in jene Reihe stellen würde, Gott bewahre, aber der Name verwurzelt mich dort, und ich hab’s ja im Rahmen von Bewegung auch immer wieder vom Raum und verschiedenen Ebenen der Realität, ich hatte auch mal ein Gedicht dazu geschrieben.

Und jetzt nannte ich mich eben bei meinem ersten Namen, denn der war auf der Kreditkarte. Wir redeten noch ein bisschen, Sie hatte mal einen WG-Partner aus der Schweiz, das musste ein sehr glücklicher oder sehr unglücklicher Mann gewesen sein, sagte sie nicht, aber dachte ich mir, und dann lud sie mich zum Kite-Surfen ein. Ich ging nicht hin, denn ich kann nicht Kite-Surfen, und ohnehin hatte ich bei ihr keinen Kite, sondern eine Yoga-Matte gekauft, und das, was man darauf anstellt, war mein Fokus in diesen Tagen. Keine neuen Freundinnen, kein Kite-Surfen. Yoga.

Ich war in einer Yoga-Ausbildung, bei der ich es in der Vorstellungsrunde mit Martin versucht hatte, hatte aber gesagt, ich würde so heißen, wie ich es aussprach, und würde das I in meinem Namen begrüßen, also hatten mich alle Martiiiin genannt, «as in Teen-ager» ungefähr, eine Katastrophe, und die Katastrophe wurde wie das I länger und länger während dieser vier Wochen Yoga, ich erkannte mich am Ende gar nicht wieder. Daraus wurde eine Katharsis, lassen wir’s, jetzt heiße ich im Anwesen von Amerikanern jeweils Mardn, Punkt.

Ist ja auch recht so.

Man schreibt ja viel im Laufe eines langen Lebens, jedenfalls als Vielschreiber, und das bin ich, es ist meine Art, vielleicht irgend eine Art von Fährte zu hinterlassen, wer weiß, fragen wir uns nicht doch alle, ob und welche Spuren wir eines Tages hinterlassen, aber vor allem ist es eine Art der meditativen Versenkung für mich, und überhaupt, die wichtigen Spuren hinterlasse ich in ein paar ganz wenigen Herzen, auch ohne Geschreibsel. Item, ich hatte mal eine kleine Reihe zur «Kunst des Friedens» geschrieben, obwohl ich eher denke, Friede ist eine Kompetenz, und ein Artikelchen hieß «Handle in deinem Namen». Nicht im Namen Gottes oder einer Religion oder eines CEOs, und ich finde, das kann man so gelten lassen.

Der Instagram-Dame war ich dann später übrigens noch diagonal über den Weg gelaufen. Beim Über die Straße Gehen. In Paia. Sie war unübersehbar. Sie hatte mich nicht bemerkt.

Kein Wunder.

Und die Yoga-Matte? Die ist jetzt in Kalifornien. Sie war mir zu groß, um sie nach Hause zu nehmen, also hatte ich sie einer Frau geschenkt, die, wie ich finde, einen wirklich coolen Namen geschenkt bekommen hatte: Brooklyn.


 

Das Gedicht? Zu finden in Zu leuchtenden Steinen. Voilà:

Windläufer

Sie flüstert leise
dass sie ihn
durch Länder unerobert von Worten
zu der Zeit führt
in der Sinne noch nicht Sinn geworden

sie streichelt und umliebt ihn
trägt ihn hinweg ins Hier
wo er erwacht zu einem Sein
das ist

und er dreht sich von innen nach außen
und blickt
den Himmel unter seinen Füßen
auf die Ahnenkette des Lichts

 

 

Und wenn du es bis hier geschafft hast, hast du dir den Instagram-Account People of Paia redlich verdient. Be warned 🙈

 

 
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